Michel Steup ist unser Uraltvater, er lebte als Bauer, freier Vogtmann, Gerichtsschöffe und Almosenpfleger in Pfuhl. Wie mit Bestimmtheit angenommen werden kann, war er der Enkelsohn von Adam Steip. Die Annahme gründet sich auf den früheren Eintrag im Marienberger Gerichtsbuch vom Jahre 1541 ff. aus dem Jahre 1556, der inhaltlich anno 1618 in das neu angelegte Gerichtsbuch vom Jahre 1617 ff. übertragen wurde.

Die sich daraus ergebenden Verpflichtungen waren von seinen Enkeln Jakob und Michel übernommen worden. Die Eintragung mit Zusätzen hat folgenden Wortlaut:
"Item Steips Adam hott Weinandten zum Pfuel abgelost Merkeln von Nisterberg 3 virthel feldts hinder greben garten vor 3 thaler.Item Steips Jakob und Michel haben anno 1592, den 15. 9bris (November) dem Schultheißen zu Marienberg Herngelt wegen Pfeiffers Josten hieruff geben == 4 gl.Noch anno 1584 (1594) hieruff geben == 10 gl.Noch Michel Steip hieruff Christ Blanken geben == 3 gl.Michel Steip hat Christ Blancken gebenn hieruff anno 1618 == 3 gl."

1602 hat er, wie auch andere Untertanen, eine Anerkennungsgebühr (Schutzgeld) von 6 Albus für den ihm von der Herrschaft als freiem Vogtmann gewährten Schutz zur Ordnung aus den Busen (Bosem, Kindgedinge aus der Ehe eines Freien mit einer Leibeigenen) zu zahlen. Seine zweite Ehefrau war eine geborene Müller und stammte aus einem "Eigenhof" zu Bach. Die Kinder aus solchen Ehen waren auf dem Westerwald "freie Vogtleute" und konnten mit dem was die Eltern hinterließen und was sie selbst erwarben frei schalten und walten.

1603 muß er den Haber-Oberzehnten mit 1 Malter und 4 Mesten entrichten, und 1605 und in den folgenden Jahren hat er den ständigen Geldzins von Gütern und Höfen, das sogenannte Herrengeld, welches alljährlich zweimal fällig war und zu Bartholomäi und Martini erhoben wurde, mit jedesmal 1 Gulden und 4 Alb. zu zahlen

1610 und 1611 wird er als Almosenpfleger des Kirchspiels Marienberg erwähnt. Als solcher hatte er alljährlich dem Amtmann und dem Inspektor der Herrschaft Rechnung abzulegen. Der Almosenkasten war eine Einrichtung der Kirche und hatte den Zweck, arme und bedürftige Kirchspielsangehörige zu unterstützen oder solchen, die unverschuldet in Not geraten waren, mit Vorschüssen oder Darlehen zu helfen.

1604 erwirbt Michel in Gemeinschaft mit seiner Ehefrau Anna die Landgüter zu Scheidingen, genannt Pfingsthofen, in dem Büdinger Gut für 40 gl. und muß davon den Zehntpfennig mit 4 gl. bezahlen.

1613 am 7. Januar liefert er "uffs Haus (Schloß) Beilstein 3 möth, 10½ mest habern (Hafer), thun 4 mtr. (Malter), 9 moth, 1 mest Herbornisches Maß".

1617 wird er bei Aufklärung eines zur Nachtzeit auf der Weide zu Bach von fremden Personen ausgeführten Pferdediebstahls als Schöffe herangezogen.

1621 führt er einen Prozeß gegen die Gemeinde Marienberg wegen einer strittigen Durchfahrt in der Selbachsfurt im Distrikt ,,Zeilen", der mit einem Vergleich endigte. Den zugefügten Schaden mußten ihm die beklagten Grundbesitzer in Geld ersetzen.

1630 hat er von seinen Landgütern 3 fl., 3½ ort Schatzung zu geben.

1631 am 16. November sitzt er beim Landgericht zu Marienberg in einer Schöffentagung als Gerichtsschöffe zu Gericht.

Er war dreimal verheiratet. Seine erste Ehefrau hieß Lena Mergen und war vermutlich eine Tochter des Bauers und Vogtmannes Christmann Mergen zu Stockhausen und die Schwester des Bauers und Vogtmannes Peter Mergen zu Stockhausen, dessen Wittib 1630 von ihren Landgütern 4 fl., 1 batzen Schatzung geben mußte. Die Ehe wurde um 1590 geschlossen. 1592 wird die junge Ehefrau - Lhena Steips Michels Haußfraw zum Pfuel - als vierzehnte Zeugin in einem Hexenprozeß vernommen. Sie starb um 1600.
In zweiter Ehe, die er nach 1600 einging, war er mit Anna Müller, Tochter des Bauers und ,,Eigenmannes" Martin Müller zu Bach verheiratet. Dies bestätigt der Eintrag im Marienberger Gerichtsbuch vom 2. Januar 1609, Seite 284. Aus dieser Ehe stammt auch die ihn überlebende Nachkommenschaft. In dritter Ehe, die kinderlos blieb, lebte er mit Freyge Baum, die wahrscheinlich aus dem Baumshof zu Marienberg stammte, wo sie Erbgerechtigkeit hatte. Sie war vermutlich die Tochter des Bauers Martin Baum zu Marienberg und eine Schwester des Philologen Christian Baum (Arbor) an der Hohen Schule zu Herborn, der 1626 daselbst an der Pest starb. Dessen Ehefrau Anna (Witwe), die eine Tochter des Kunstgelehrten und ersten Universitätsbuchdruckers Christoph Corvin (Raab) in Herborn war, hatte das Unglück, am 18. September 1629 vom Nassauischen Fiskal in dem peinlichen Halsgericht zu Herborn als eine Hexe angeklagt, durch das Schwert aus Gnaden hingerichtet und begraben zu werden.
Die dritte Ehefrau Michel Steips starb in 1621. Ihre letzte Willensbestimmung, die im Marienberger Gerichtsbuch niedergeschrieben ist, lautet:

"Zu wissen, daß heut dato niedergeschrieben, vor sitzendem Gericht erschienen seindt, Christ Zeiler, Thönges Steip, Hoffe Henn, Dichges Thonges und Jung Threin Martin, undt angezeigt, daß Freighen Michel Steips Haußfrau, sie in Ihrer Schwachheit zu sich erfordert, und beywesens des Pfarrers Ehrn Jacob Knöln, und zu verstehen geben, daß die eheberedung zwischen ihrem man und ihr biß dahero nit schriftlich gemacht worden. Derwegen und damit nach ihrem absterben sich einiger streit zwischen ihren erben und ihem Haußwirt nit ereugen möge, So wehre wahr, alß ihr man Michel und sie zusamen kommen, sie sich nur in alle farms zum fünfften theil eingerechnet hette, und abgeredet worden, wan sich der Fall zutrüge, daß ihr man Michel vor ihr verstürbe, daß sie alß dan nur daß dritten theil in allem gereiden nehmen solte, da sie aber vor ihme Micheln verstürbe, daß er alß dan alle vorhandenen farms haben und behalten solte, Item solte Michel alle verkauffe so sie miteinander gethan allein erblich haben und halten in ansehnung die von seiner Verwandtschaft herrüreten. Doch daß nach seinem absterben Ihren erben daß fünfften theil des Kaufgelts nach ausweisung der Kauffbrieffe solle gevolgt und gegeben werden.
Undt die weil Michel ihre versetzte und beschwerte güter mit Sechstzig Acht gl. gelöst und auß frembter Hand wieder beysamen brachtt, sol solches geltt nach seinem absterben an den fünfften theil des Kauffgeltts ingehalten werden und den erben dan auch dieselben güter gevolgt werden. Der Fall trüge sich nun nach dem willen Gottes zu, uff welchen weg er wölle, solle es vorerhalter Maßen unverbrüchlich gehalten, und bey verlust des zu geltts gemachten feldts von ihren erben mit bestritten werden. Hette darauf fleißig gebetten sie Zeugen dises behalten und vor Gericht bezeugen wolte, damit es rechtlicher gebürr möge beschrieben und einem oder dem andertheil uff sein begherrn, seiner nottdurfft nach möchte mitgetheilt werden.

Dieweil dan die Zeugen disen mitgeleisteter Handttreue an leiblicher eidtsstatt wahr gesagt und daß dises ihnen vorerhaltermaßen beuohlen worden anzuzeigen.
Haben wir Landschulthes und Scheffen solches dem Scheffenbuch einverleibet und ohnerschrieben.

Actum Marienberg,
ahm 16. Marty anno 1621
Joh. Petry".

Michel erwarb in den Jahren 1604 - 1631 bedeutende Ländereien, für nahezu 900 Gulden. Das war eine für die damalige Zeit recht ansehnliche Summe. Ein Teil der Kaufbriefe über die Güterkäufe war in dem Gerichtsbuch vom Jahr 1617, das früher bei der evangel. I. Pfarrei zu Marienberg aufbewahrt, später (1942) an den Landeskirchenarchivar Dr. Jäger und bei dessen Tod 1944 an das Landeskirchenarchiv in Darmstadt abgegeben wurde, wo es mit dem Marienberger Gerichtsbuch von 1585 und dem Schöffenbuch von 1617 bei einem Luftangriff verbrannte, niedergeschrieben. Der Wortlaut eines der Kaufbriefe aus dem Gerichtsbuch ist wie folgt:

"Pfuel. Anno 1617, den 14. May haben Martin Schweitzer Freihen eheleute, Ehua (Eva) Mohrs Thönges Tochter ledig zu Oellingen erblich verkaufft. Michel Steip zum Pfuel Freyghen eheleuten und seinen erster ehe Kindern, Ehin drittentheil im Listergut im Marienberger Kirchspiel, vorbehalten der Ehrbkeuf mit Baumhen Martin, Mergen Henn Christmann und seinen Brüdern so hirberoch bestehen, vor Drei undt Sechszig Gulden, und weil Frawen ein fünffthentheil in diesem geltt geburt, und dieser ner-Ring (Nahrung) von Micheln hero kompt, So sol Fraw nach Michels todt auff andere Keuffen sich berechnen lassen, oder Ihr fünffthen theil gelts abgelegt nhemen.Geschehen in Beisein eineß gantzen sitzendten Gerichts undt hab jch jtziger Landtschreiber zu Beilstein uff Schultheis und Scheffen Beuels diß alles hirhero geschrieben und mich mitt meinen Henden underschrieben

Johan Albert Spricast"

1621 veräußerte er, jedenfalls in Ausführung des Testaments seiner verstorbenen dritten Ehefrau, in drei verschiedenen Teilen Ländereien im Werte von 173 Gulden.

War um 1570 geboren und starb vor 1645, in welchem Jahre die Kirchenbücher für das Kirchspiel Marienberg neu angelegt wurden; in 1637 lebte er noch. Damals schloß er mit seiner Schwägerin Aenne, Ehefrau des Thönges Lupp zu Bach, einen Vergleich ab, der folgenden Wortlaut hat:

"Steips Michel zum Pfuel als cläger hatt Christ Habeln von Unnau als einen Zeugen vor Gericht citirt undt Ihnen streitigen erkoberten güter halben gegen undt wieder seine Schwägerin Aenne zur Bach abhören lassen, welche sie in stehender ehe erkobert gehabt. Zeug werde geschuldigt, und soll Ihme Weißbuchen sein, das Thönges Lupp zur Bach als vorgemelter ehemann, Ihme Micheln Steipen vor einen gänzlichen obstandt der erkoberten gütter Vermöge gehaltenen Contractes 27 gl. Schuldig plieben, welche er verpensioniren sollen.
Außag: Zeug iß bey Handgelübt ahn Eydesstatt gelassen worden, undt seines Schöffeneydes erinnert worden, undt sagtt von dem Contract wüße er Zeug nichts, allein das sey Ihme wohl bewußt daß Thönges Lupp Ihme 27 gl. Schudlig plieben wär, er sich selbsten gegen Ihnen Zeugen vernehmen lassen undt zu verstehen geben, das allerhand schulten zusahmen gerechnet worden, ob es aber nach der Handt bezahlt worden, das könte Zeug nicht sagen.
Hieruff haben sich Michell Steip undt seine Schwägerin also verglichen, das er ahn Ihr der schulten halben desgleichen sie ahn Ihme des erkoberten guttes halben gegen ein ander nichts zu suchen noch zu fordern haben sollen.
Urkund dießens vor sitzendem Gericht geschrieben worden."

Nach seinem Tode scheint Pfuhl von Einwohnern gänzlich verlassen zu sein. Von den Verheerungen des Dreißig jährigen Krieges blieb auch der Westerwald nicht verschont. Seine Folgeerscheinungen waren von tiefgehender Wirkung auf das ganze Wirtschaftsleben und die Lebenshaltung der Bewohner. Doch wurden in der Folgezeit die zerstörten Dörfer und verlassenen Wohnungen wieder aufgebaut und die Felder der Kultur zurückgegeben.

 

 

* ) Anmerkung. Pest und sonstige Seuchen hatten im 15. und 16. Jahrhundert einen großen Teil der Bevölkerung dahingerafft. 1485 trat die Pest mit besonderer Heftigkeit auf dem Westerwald auf. so daß Grenzbegänge kaum mehr gehalten werden konnten, weil fast alle der Grenze kundigen Männer der Seuche erlegen waren. Im 16. Jahrhundert sind u. a. die Jahre 1520, 1542, 1551, 1553, 1575 und 1597 als furchtbare Pestjahre bekannt. Ganze Familien fielen dieser entsetzlichen Krankheitzum Opfer. Im folgenden Jahrhundert, während des Dreißigjährigen Krieges, kam die Seuche auf dem Westerwald fast nicht zum Erlöschen. Die Zahl der Familien im Kirchspiel Marienberg, welche 1589 noch 107 betragen hatte, war im Jahre 1620 auf 95 zurückgegangen. Nach dein Kriege im Jahre 1645 waren von diesen 95 Familien nur noch 33 vorhanden, für welche damals Ackerland im Überfluß da war. So erklärt sich's wohl auch, daß Michel Steup schließlich den größten Teil der Güter zu Bach und Pfuhl in Bewirtschaftung hatte.

 

 

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