Ernst Friedrich Reinhard Steup wurde am 12. September 1912 zu St. Goarshausen am Rhein geboren, als Sohn unseres ersten Chronisten Emil Steup und seiner Ehefrau Helene, geb. Brambach. Er war als Kind ein freundlicher und zufriedener Junge, der sich stundenlang mit sich selbst beschäftigen konnte. Später wurde er eigenwillig und schwer erziehbar, drohte als Schüler gern damit, das Haus zu verlassen und in die Welt zu ziehen, wenn es ihm nicht gelang, seinen Willen durchzusetzen. In solchen Anwandlungen äußerte er sogar manchmal, sich das Leben zu nehmen.

Zu Ostern 1918 wurde er in die Volksschule zu St. Goarshausen am Rhein aufgenommen, die er infolge Versetzung seines Vaters an die Regierung in Wiesbaden am 15. Mai 1918 mit der Vorschule des Stadt. Reform-Realgymnasiums an der Oranienstraße in Wiesbaden vertauschte. Mit Beginn des Schuljahres 1921 trat er in die Sexta des Humanistischen Gymnasiums in Wiesbaden ein.

Ostern 1926 wurde er konfirmiert. Zu dem Fest waren auch die Marienberger Großeltern mit einem Auto gekommen, da der Großmutter die beschwerliche Eisenbahnfahrt nicht mehr möglich war. Die Feier nahm einen schönen und der Zeit entsprechenden Verlauf.

Das Gymnasium durchlief er glatt und bestand am 1. März 1930 im Alter von 17 Jahren die Reifeprüfung. Das Lernen bereitete ihm keine Schwierigkeiten; er hatte aber wenig Freude daran und mußte oft dazu angehalten werden. Er liebte die Freiheit, wanderte häufig und musizierte gern. So spielte er Klavier und Guitarre, las viel und konnte sich schwer in feste und gebundene Verhältnisse einfügen.

Am 1. Mai 1930 bezog er die Universität Bonn am Rhein, um Philologie und Theologie zu studieren. Er wurde, wie sein Bruder Erich, bei der Turnerschaft "Cimbria" aktiv und später auch Mitglied des Stahlhelms.

Der Entschluß Theologie zu studieren - ein Lieblingswunsch seiner Marienberger Großmutter - war aus der Not der Zeit geboren, entsprach aber nicht seinem eigenen Triebe. Es stellte sich auch bald heraus, daß er keine Neigung für dieses Studium hatte. Nachdem ihm im Sommer 1931 der Versuch, das Hebraicum abzulegen, mißglückt war, wechselte er die Universität und ging im Herbst 1931 nach Tübingen. Dort gab er sich ganz dem freien studentischen Leben hin, was zu seiner Entgleisung und im Frühjahr 1932 zur Aufgabe des theologischen Studiums führte, nachdem er sich in jugendlichem Leichtsinn vergessen hatte und wegen tätlicher Beleidigung vom Amtsgericht in Tübingen zu einer fühlbaren Geldstrafe verurteilt worden war. Das hatte zwangsläufig seine Verweisung von der Universität Tübingen zur Folge.

Nach langen Bemühungen gelang es ihm, am 1. September 1932 bei seinem Bundesbruder Wantzen in die Löwen-Apotheke in Wiesbaden als Praktikant einzutreten. Auch diese Tätigkeit schien ihm nicht zuzusagen, obwohl er versicherte, mit Lust und Liebe dabei zu sein. Wegen Unpünktlichkeit und leichter Dienstauffassung wurde ihm die Stelle zum 1. Februar 1933 wieder gekündigt. Für das Soldatentum war er begeistert und schien auch für diesen Beruf am besten geeignet zu sein. So war er im Stahlhelm eifrig und rührig tätig. Allein die trostlosen Verhältnisse jener Zeit standen dieser Möglichkeit entgegen und verhinderten seinen Eintritt in die Reichswehr.

Ein schicksalgebundenes Menschenkind, das sich in seiner leicht aufbrausenden Art nicht immer in der Gewalt hatte und zuweilen die Selbstbeherrschung verlor. All diese Umstände mögen dazu geführt haben, daß der Gedanke in ihm aufkam und der Entschluß reifte, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, nachdem er auch von seiner Verbindung über das Tübinger Verhalten zur Rechenschaft gezogen wurde. Offenbar hielt er das Leben, in dem er überall auf Widerstand stieß, in seinem unbändigen Freiheitsdrang nicht mehr für lebenswert und tat den übereilten Schritt, der stets bei dem lebensfrohen Menschen rätselhaft bleiben wird. Ein stürmischer, verirrter Junge von glühender Begeisterung, echt deutscher Gesinnung und heißer Liebe zum Vaterland, der den inneren Halt verloren hatte und ein Opfer der Zeitverhältnisse geworden war. Dazu mag auch eine Erbveranlagung, die ihm im Erbgefüge und Erbstrom mitgegeben war, und der er nicht Herr werden konnte, beigetragen haben. Sie trat ihm vielmehr hemmend in den Weg und durchkreuzte störend seine Lebensbahn, so daß er in einer plötzlichen Anwandlung von Lebensüberdruß am Abend des 30. Januar 1933 den Giftbecher nahm und dadurch seinem jungen und kraftstrotzenden Leben ein jähes und frühzeitiges Ziel setzte.

Ein erschütternder und harter Schlag für seine Eltern, Geschwister und nächsten Anverwandten, denen von allen Seiten wärmste und tiefste Anteilnahme entgegengebracht wurde. Davon gaben die zahlreichen Briefe und Beileidsbezeigungen beredten Ausdruck. Allein an dem Geschehen war nichts mehr zu ändern. Sein irdisches Dasein lag hinter ihm; er hatte ausgekämpft und war versorgt in der Hand des allgütigen Gottes, der alle Dinge zum Besten lenkt. Das war auch der einzige und beruhigende Trost für seine tiefgebeugten Eltern in schwerem Leid. Die Lippen halb geöffnet, lag er in seligem Lächeln friedlich und schön, mit Blumen reich geschmückt, im Sarge eingebettet. Die Leiche wurde am Freitag, dem 3. Februar 1933, nachmittags drei Uhr, im engsten Familienkreis unter Beteiligung einer Abordnung der Wiesbadener Reitergruppe des Stahlhelms, deren Gründer er gewesen war, und einiger seiner Bundesbrüder im Krematorium zu Mainz eingeäschert. Pfarrer Gail aus Frankfurt a. M.-Rödelheim hielt an der Bahre eine ergreifende Rede über das Bibelwort: "Herr, wärest Du dagewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben."

Die Urne mit den Aschenresten wurde einige Tage später auf dem Friedhof zu Wiesbaden-Biebrich im Erbgrab (Kaufgrab) der Familie Brambach beigesetzt. So endete das Leben eines nicht unbefähigten, schlankgewachsenen jungen Mannes - er war 1,84 m groß - und eines blauäugigen Jünglings mit blondem Haar, der seinen Eltern manche Sorgen und Kümmernisse bereitet, aber auch oftmals durch sein offenes und frischfröhliches Wesen zur Erheiterung im Familienkreise beigetragen hatte. Bei seiner ruhelosen und draufgängerischen Art war er von Grund auf kein schlechter Mensch; sein innerer Kern war gut. Ein unglückliches Menschenkind, das auf seiner Lebensbahn gestrauchelt war.

Und dennoch, trotz aller Schwere, soll er uns unvergessen bleiben. Wir wollen ihn in gutem Andenken behalten, alles Häßliche und Unangenehme vergessen und den allmächtigen Gott bitten, daß er ihm gnädig sei und ihm seine Schuld vergebe, wie wir ihm alle seine menschlichen Schwächen und Fehler verzeihen wollen, geleitet von dem Geist der mitfühlenden Güte und folgend der inneren Stimme, die aus der Tiefe des Herzens heraus spricht: "Die Liebe höret nimmer auf!"

 

 

 

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