Unsere raschlebige Zeit mit ihrem weitverzweigten Wirtschaftsleben ist der Erhaltung alter Sitten und Bräuche nichts weniger als günstig. Wo sie in oft kümmerlichen und stark veränderten Formen bis heute lebendig blieben, überwiegt die dem Volkstum günstige Landwirtschaft. Faßt die Industrie in einer Landschaft festen Fuß, dann gleicht sie aus und vernichtet- sehr zum Schaden von Volkstum und Volkskunde - die in jahrhundertelanger Übung bewahrten Sitten. Wie reizend und ausdrucksvoll sind noch heute die Hochzeitsbräuche in Gebieten starken bodenständigen Bauerntums. Dort treffen wir selbst in der Gegenwart noch Bilder, in denen sich die Kraft Drescher Holzschnitte mit der Lieblichkeit des Richterschen Brautzuges vereinigt. Wo sich dagegen der Erdgeruch umgebrochener Ackerschollen mit dem Rauch naher Fabrikessen mengt, schwindet alle Poesie. Kommt dazu noch ein starker Einschlag erwerbstätiger Männer, die Broterwerb dauernd oder vorübergehend in Industriezentren führt, dann gehen oft in wenigen Jahren die Volkssitten unter, die, mütterlichem Boden entsprossen, auf ihm allein gedeihen.
Der Westerwald zeigt diese Entwicklung deutlich. Man muß heute schon aus den Tälern aufwärtssteigen, um noch einen der Alten im blauen Kittel anzutreffen, von Volkssitten vollends sind nur noch Anklänge zu finden. Selbst eine so wichtige Einrichtung wie die Ehe macht keine Ausnahme. Neben den zerstörenden Einflüssen von Industrie und Bevölkerungswechsel erwiesen sich vor allem Kirchenzensur und Gesetz als einschränkende Faktoren der begleitenden Volkssitten. Anderseits verdanken wir aber der Kirche und den Gesetzgebern die Kenntnis längst verschwundener Bräuche; vor allem gestattet die Dillenburger Brautlaufsordnung eine Rekonstruktion von außerordentlichem kulturgeschichtlichem Wert.
Von den Formen der Eheschließung unserer germanischen Vorfahren zu sprechen, bei denen die Heirat -Kauf genannt- den Charakter eines vorwiegend rechtlichen Aktes trug, ist hier nicht der Ort. Die ersten urkundlichen Nachrichten über Verlobungs- und Hochzeitssitten gehören nur mittelbar dem Südteil der Herrschaft Beilstein an. Sie haben zunächst Geltung für das Gebiet der Stadt Wetzlar, können aber hier herangezogen werden, weil das Archipresbyterat Wetzlar alle Kirchspiele der Unterherrschaft Beilstein und oberen Lahn umfaßte, der südliche Westerwald somit an dem Ausgang des Streites, der 1281 die Gemüter erregte, zu mindestens stark interessiert war. Der Leutepriester zu Wetzlar hatte nämlich von seinen Pfarrkindern verlangt, daß Eheverlöbnisse, die seither immer nach freier Vereinbarung der Beteiligten in Bürgerhäusern oder vor diesen auf öffentlicher Straße, auch sonst an schicklichen Orten vollzogen worden waren, ihm zuerst angezeigt und in seiner Behausung vorgenommen werden sollten. Die Forderung des Plebans stand mit dem Herkommen in Widerspruch und veranlaßte die Bürger zu Wetzlar, beim Erzbischof Klage zu führen. Die Beschwerde hatte Erfolg: Erzbischof Heinrich gestattete am 12. April 1281, daß der seitherige Brauch in Übung blieb und Eheverlöbnisse auch außerhalb der Kirche an passenden Orten geschlossen werden durften. Der Geistliche suchte nun auf andere Weise bestimmenden Einfluß zu gewinnen. Es war ihm nicht gelungen, den Ort der Verlöbnisse vorzuschreiben. Er glaubte nun wenigstens durchsetzen zu können, daß Verlobungen nur in seiner Gegenwart vorgenommen werden durften. Aber auch in diesem Punkte hatte er den Widerstand der Bürger unterschätzt. Neue Klagen gingen nach Trier, denen der Erfolg nicht versagt blieb. Der Erzbischof gebot am 13. Oktober 1283 dem Pfarrer, daß er die Abschließung von Eheverlöbnissen, gemeinhin Kauf genannt, auch ohne seine Gegenwart zuzulassen habe. Die Eheschließung selbst stand außerhalb des Streites. Ihr ging damals schon eine dreimalige Proklamation voraus. Beachtenswert ist die Bezeichnung des Verlöbnisses als Kauf. Sie zeigt den germanischen Einfluß deutlich und läßt weiter erkennen, daß die Kirche den Brauch bei der Einführung des Christentums unter stillschweigender Duldung bestehen hatte lassen. Wir dürfen darin einen Beweis für die Fähigkeit der Kirche sehen, in taktisch geschickter Weise tief im Volksleben verwurzelte Sitten der vorchristlichen Zeit ihren Zielen dienstbar zu machen. Mit dem Brautlauf verhält es sich genau so. Auch ihn übernahm die Kirche, suchte aber seine Auswüchse zu beschneiden.
Für Jahrhunderte schweigen die Quellen, die uns weiteren Aufschluß über Hochzeitssitten geben könnten. Wir wissen aber aus anderen Zeugnissen, daß nach der durch die Theidingsleute verabredeten Verlobung die Proklamation bald folgte. Der Brautlauf, die feierliche Heimholung der Braut in das Haus des Mannes, schloß sich an und fand seine Krönung in der Hochzeit. Doch galt noch tief im Mittelalter weniger der kirchliche Akt der Trauung, sondern das eheliche Beilager als Kennzeichen der vollgültigen Ehe. Zahlreiche Eheberedungen von Standespersonen lassen erkennen, daß auch in diesem Punkte die germanische Anschauung noch vollkommen herrschte.
Reicher fließen die Quellen im 16. Jahrhundert, wenn es auch vorwiegend die durch die Ehe begründeten rechtlichen Verhältnisse sind, die wir dank dem erhaltenen Rezeß- und Vertragsbuch der Herrschaft Beilstein von 1529 und mehreren Verordnungen über den Brautlauf kennen. Mit Zähigkeit hatte das Volk an den alten überlieferten Sitten festgehalten, und weder Geistlichkeit noch Landesherrschaft hatten die tief im Volkstum wurzelnden Bräuche auszurotten vermocht. Mittelsleute brachten bei den Eltern der Braut die Werbung an. Eigene Werbung war verpönt und galt geradezu als unschicklich. Fiel die Antwort zustimmend aus, dann folgte in Gegenwart der Weinkaufsleute die Verhinlichung, die feierlich vor Zeugen ausgesprochene Willenserklärung der Beteiligten zum Abschluß der Ehe. Sie diente nicht nur festlicher Feier, sondern hatte wie in germanischer Vorzeit der Kauf auch eine scharf betonte rechtliche Seite, die wir heute nur noch in Ausnahmefällen kennen: die Bestimmung und Abgrenzung der materiellen Zubußen von beiden Seiten für den erst zu gründenden Hausstand. Wenn der Bräutigam im Beisein ehrbarer Zeugen das Jawort erhalten hatte- die Entscheidung lag in erster Linie bei den Eltern, nicht im Willen der Braut- "dann wurden die Weinkaufsleute dazu geordnet und begehrten die Hinlichsgift von den Brautleuten wie zu Westerwald üblich, nämlich zwei Kühe in den Stall und ein Rind dabei, ein Pferd oder davor acht Gulden, sechs Schafe, zwei Säue, zwei Morgen Land, davon einen mit Mist und einen gemein, nebst einem guten Wagen voll Heu". Leistungen in dem angeführten Umfang waren die Regel, Armut macht Ausnahmen verständlich. Der Hinlichsgift der Braut stand als Zugift des Bräutigams die "Breudelgabe" gegenüber, für die ähnliche Normen bestanden haben mögen. So zählt Jorg von Rodenroth 1533 als eingebracht zwei Malter Hafer, zwei Malter Korn und ein Viertel (25 Stück) Schafe auf. Über die abgesprochenen Leistungen wurde ein Instrument, die Hinlichsverschreibung aufgerichtet, die in Streitigkeiten, Erbauseinandersetzungen mit Geschwistern oder Angelegenheiten der Leibzucht von außerordentlichem Wert war, da sie sich auch auf zukünftige Vermögenszuwendungen erstreckte und der Rechtsprechung in zweifelhaften Fällen eine sichere Grundlage Schuf. Noch im 16. Jahrhundert wurde sie fast allgemein von dem Gerichtsschreiber verbrieft und versiegelt, Beweis, welche Bedeutung man ihr zumaß. War die "Hillich" beredet, dann empfing das "Meidlein" auf das "Gelobte" den "Treuschatz", meist eine Silbermünze. In der drückenden Armut des 18. Jahrhunderts mußte oft ein Spitzgroschen reichen, erst gegen Ende dieses Zeitraums wurde ein einfacher Silberreif gegeben. Die ursprüngliche Bedeutung erhellt aus der Bezeichnung Treuring, die sich behauptet hat.
Nicht immer vollzogen sich Werbung und Verhinlichung so glatt, wie sie im Vorstehenden gezeichnet wurde. Wankelmut und Untreue, Widerstand der Eltern und als stärkstes aller Hindernisse Heimlichkeit vor den Eltern oder Verwandten, machten den Rosenpfad, zu dem die Hinlichsabredung leiten sollte, oft genug zur Schmerzensbahn. Der sentimental- schwärmerische Zug, der einer überfeinerten Kultur geläufig ist, fehlt zwar dem robust-gesunden Geschlecht ganz, doch fiel auch in früheren Jahrhunderten mitunter ein Tropfen Wehmut in den Kelch der Freude, wie das Scheidbuch der Herrschaft Beilstein zeigt. 1531 erscheint Georg von Arscheid, Amtmann zu Beilstein, Moritz von Bresen und Konrad Chun, Landschulheiß der Calenberger Zente, Ankelhen von Obershausen und führt Klage, daß ihm seine Schwäger Kirschen Christ und Scheppen Claß die Tochter am Fronfasten-Sonntag ohne seine Einwilligung an Theiß, den Sohn Fiz Clesen zu Obershausen, verhinlicht haben. Er hatte das "Meidlein" einem ihm genehmeren Eidam (Eiden, Are) versprochen und bittet ihn, bei seiner Verhinlichung zu handhaben. Der Amtmann verhört nun zunächst den Bräutigam, der aussagt, das Mädchen sei ihm von der verstorbenen Mutter zugesagt worden, "und derhalben er mittlerzeit einen Willen zu dem Meidlin gewonnen, dergleichen seines Bedunkens es auch zu ihm, weshalb er vorigen Sonntag ihr eins dem andern gelobt und die Ehe zugesagt hätten". Das Mädchen bestätigte diese Angaben und fügte hinzu, es habe auf das Gelobte einen Treuschatz empfangen. Von den Heiratsplänen seines Vaters weiß es nichts, es hätte es sonst nicht getan. Die Entscheidung wurde vorläufig ausgesetzt und erst 1532 vom Grafen Johann von Beilstein in Person gefällt. "Den Rechten und der Billigkeit nach" erkannte er, daß dem Einspruch des Vaters stattzugeben und der Bräutigam mit seinem Anspruch auf die Hand der Tochter abzuweisen sei.
Das Einspruchsrecht der Eltern oder nächsten Verwandten wurde auch von der Nassau-Catzenellenbogischen Land-Polizeiordnung von 1616 garantiert, die damit den altgermanischen Grundsatz betonte, daß die Entscheidung über Verlobung und Heirat nicht bei der Braut, sondern deren Mundwalt liege. Die Landordnung erklärt Ehegelöbnisse, die ohne der Eltern oder, falls diese tot, Vormünder Wissen und Belieben geschlossen werden, für nichtig und gibt den Eltern das Recht, in derartigen Fällen Zuwiderhandelnde ganz oder teilweise zu enterben. Mit besonderer Strafe droht sie den Begünstigern heimlicher Verlöbnisse und Winkelehen, die "mit ihrem rechten Namen Köpler und Köplerinnen genannt werden".
Nach ordnungsgemäß vollzogener Eheberedung folgte die dreimalige Proklamation in der Kirche. Der Trauung ging, wenigstens gilt dies für die Zeit nach Einführung des Kalvinismus, ein Examen über die Grundlehren der Kirche im Pfarrhaus voraus. Den Höhepunkt stellte der Brautlauf, die feierliche Heimführung der Braut, dar. Der in schwerer Arbeit stehende Bauer mußte schon immer die Feste feiern, wie sie fallen. Das macht verständlich, daß er beim Brautlauf der Frohlaune freien Lauf ließ und durch ein Übermaß von Aufwand oder Zügellosigkeit in den Äußerungen der Freude leicht in Konflikt mit Staat und Kirche geriet. Alle Brautlaufordnungen greifen die Sitte selbst nicht an, suchen die Feier aber in den Grenzen zu halten, die soziale Stellung und Anstand vorschreiben. So beschränkt die Dillenburger Ordnung des Brautlaufs die Zahl der Theidingsleute bei der Eheberedung auf acht Männer aus der Verwandtschaft und verbietet am Samstag oder den nächsten Tagen vor dem ehelichen Beilager Kosten mit Baden oder dergleichen zu halten. Zur Ladung der Gäste werden sechs Mann verstattet. Mehr als sechs Paar Brautjungfern, die "mit der Braut zur Kirche gehen und ihr Hochzeit helfen halten", sind nicht erlaubt. Nach der Trauung geleiten Pfeifer und Spielleute den Hochzeitszug in das Wirtshaus, wo den Gästen das Imbiß gegeben wurde und jeder schenken konnte, was ihm beliebte. Gegenstände, die praktischen Bedürfnissen genügten, wie Leuchter, Kessel, Pfannen, auch Leilachen und Kissen, bildeten die Regel. Die Hochzeitsfeier nahm auch meist noch den Montag in Anspruch, der ebenfalls mit gemeinschaftlichem Kirchgang eingeleitet wurde. Unter Johann VI. war sogar die Zahl der Tische im einzelnen vorgeschrieben. Ausnahmen konnten gestattet werden, mußten aber mit einem Geldbetrag zum Aerariengeld erkauft werden.
Besondere Verhältnisse ergaben die Eheschließungen der Leibeigenen. Von den angrenzenden Gebieten der Herrschaft Beilstein war das Gericht Driedorf bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts hessisch, Löhnberg z.T. weilburgisch. Im Osten stieß Solms an das kleine Ländchen. Heiratete nun eine weilburgische Leibeigene nach Niedershausen, dann blieb sie nach den Grundsätzen der Folge ihrem früheren Landesherrn untertan. Zu allen Zeiten hat die Liebe vor politischen Grenzen nicht halt gemacht. Diese Fälle kamen infolgedessen sehr häufig vor und reicherten allmählich fast ganz Nassau mit den Leibeigenen fremder Herren an. In "Kindgedingen" vereinbarten die Leibesherrn gewöhnlich, wem die aus solchen Ehen entsprießenden Kinder gehören sollten, wenn sie nicht, wie Dillenburg es tat, die Ehen mit fremden Leibeigenen völlig verboten. Im 16. Jahrhundert verlor sich allmählich die strenge Form der Leibeigenschaft, die nie besonders drückend empfunden war. Die aus ihr entspringenden Verpflichtungen blieben allerdings, mit ihnen auch der Manumissionsschein, das Zeugnis des Landesherrn, daß ein nach auswärts heiratender Untertan der Leibeigenschaft ledig sei. Er war bis zum Ende des 17. Jahrhunderts im Gebrauch und bestand auch dann noch als Proklamations- oder Trauschein weiter. Gegen eine Gebühr von 5-6 Thalern stellte im 17. Jahrhundert das Amt die Bescheinigung aus, die im Umfang des eigenen Landes Voraussetzung des kirchlichen Aufrufs, im Ausland Bedingung der Niederlassung war. Das zopfige 18. Jahrhundert traf daneben noch Bestimmungen, die uns heute ganz sonderbar anmuten. Es bestimmte nicht nur ein Normalalter zur Heirat und staffelte die Gebührensätze nach der Zahl der Jahre, für die Dispens erteilt wurde, sondern machte auch die Erlaubnis zur Eheschließung vom Nachweis eines bestimmten Vermögens abhängig.
Strenge wachte die Sitte darüber, daß die Braut jungfräulich vor den Altar trat. In diesem Punkt herrschte eine scharfe Kirchenzensur, und die Obrigkeit, die noch zu Anfang des 17. Jahrhunderts unter dem puritanisch-strengen Johann VI. Ehebruch fast immer mit dem Tode bestrafte, war in der Ahndung von "Verlöbnissen in Unpflichten" nicht minder rücksichtslos. War der Fehltritt offenkundig, dann traten die Presbyter des Kirchspiels zusammen, nahmen ein Protokoll auf und machten dem Amt Mitteilung, das bis zum 30jährigen Krieg Braut und Bräutigam als "Hure und Hurenjäger" in den Turm setzen und erst am Hochzeitstag durch Schützen nach der Kirche führen ließ. Während der Predigt standen die Sünder zu Seiten des Altars oder unter der Kanzel im Angesicht der Gemeinde; nach der Predigt nahm der Pfarrer die Trauung ohne weitere Förmlichkeiten vor. Auch in der mildesten Form der öffentlichen Kirchenbuße wurde fast bis zum 18. Jahrhundert öffentlich angezeigt, was vor dem Presbyterium bekannt geworden war; erst dann wurde die öffentliche Kirchenbuße abgeschafft. Das Verhör vor dem Presbyterium blieb indes bestehen.
Die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder und ihrer Mütter ist in alten Zeiten nicht weniger eigenartig. Ein Amtsentscheid von 1543 verurteilt den Vater zur Lieferung von einer Meste Breimehl für den jungen Erdenbürger. Die Mutter ist mit 7½ Gulden, "vor ihre junckfraulich ehr" zu entschädigen. Unter Oranien stand die "jungfraulich Ehr" etwas höher im Kurs. Die Deflorationsgebühren für den verlorenen Kranz betrugen bis 1806 zehn Gulden. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts trat im Umfang der Herrschaft Beilstein eine Änderung in den Bestimmungen über Alimentation ein. Dem Kinde wurde nunmehr ein Teil des Erbes vom Vater zugesprochen, so daß sich in allem Verhältnisse ergaben, die von den heute gesetzlich begründeten gar nicht so sehr verschieden sind. Die Obrigkeit nahm das Recht in Anspruch, für unehelich Geborene die Gevattern zu bestellen. Die Mutter hatte in diesem Punkte nicht den geringsten Einfluß, so daß der Vergleich mit der modernen Institution des Berufsvormundes nahe liegt. Unter oranischer Herrschaft wurden auch alle unehelichen Kinder ohne Rücksicht auf das Bekenntnis der Mutter reformiert getauft. Starb ein Bastard ohne Leibeserben, so zog der Fiskus seinen Besitz ein. Diese "Bastardfälle" hatten auch für unbeerbten Abgang der zweiten Generation Geltung.
Stellen wir nun zum Schluß noch fest, wie weit die heute üblichen Formen von Verlobung und Eheschließung die alten Züge bewahrt haben. Noch immer wird die Werbung durch Mittelspersonen angebracht. Es ist nicht Schüchternheit, sondern der Zwang der Sitte, der den Freier veranlaßt, erst einmal durch Freunde "fragen zu lassen". Ist das Gelände sondiert und die Stimmung einer Werbung günstig, dann folgen in der "Freierei" leichte Plänkeleien, bis die "Winkuff", die moderne Form des germanischen Kaufs, in der Verlobung Erfüllung aller Wünsche verheißt. Eine Heiratsabrede kennt die Gegenwart nicht mehr, einen leisen Anklang an den Treuschatz hat der Ringwechsel bewahrt. Der Brautlauf hat ebenfalls starke Einschränkungen erfahren, Musik und Pistolenschüsse sind als kümmerliche Reste des früheren bunten Aufzuges geblieben. Die an vielen Orten übliche Sitte, dem Zug den Weg zu sperren und erst gegen ein Geldopfer frei zu geben, ist auch in früheren Zeiten gebräuchlich gewesen, war aber nicht auf Hochzeitszüge allein beschränkt.