Summitville March 20th 1900


Lieber Vater und Geschwister!

Euern lieben Brief habe ich gestern erhalten, und es hat mich sehr gefreut, wieder etwas von Euch zu hören. Auch die Karte hat mich sehr gefreut, obschon ich nicht ausmachen kann, von welcher Seite das Dorf abgenommen ist. Die alte Schule kenne ich noch und denke an die schönen Tage, welche ich dort gesessen hatte, doch war ich damals noch zu dumm es zu wissen. Auch das Wirtshaus und der Buchenstrauch sind noch wie früher, doch am Dorfe kann ich keine Häuser sehen, die ich kenne. Es gibt mir Heimweh, wenn ich das Bild anschaue, und wenn es nicht für meine Militärsache wäre, so würdet Ihr mich noch einmal einen guten Morgen dort sehen. Ich würde vielleicht nicht dort bleiben, weil ich zu viel an amerikanische Freiheit gewöhnt bin, doch würde ich Euch einmal besuchen. Ich werde Euch einmal ein Bild schicken von Summitville und eins von der Maschine, wo ich mit arbeite. Wenn Ihr ausfinden könnt, wer deutscher Konsul ist hier in Amerika, dann schickt mir seinen Namen, und wo er wohnt, dann will ich einmal sehen, wegen meiner Militärsache, und wenn ich das in Ordnung bringen kann, so werde ich später einmal zu Euch kommen und vielleicht dort bleiben, wenn es mir dort gefällt. Ich werde mir inzwischen alles Geld sparen, was ich kann, so daß im Falle ich kommen will, Geld genug habe zu kommen.

Ich habe noch dieselbe Arbeit und verdiene das selbe Geld seit letzten August Ich habe mir ein wenig Geld gespart. Das Bild, weiches Ihr erhielt, hat Euch George (Auguste Ihr Mann) geschickt. Ich bin nicht auf dem Bild, da ich Weihnachten gearbeitet habe.

Ich war Neujahr auf der Hasenjagd. Es waren unserer zwischen 50 und 6O. Ich weiß nicht, wieviel Hasen wir geschossen haben. Wir haben kein Bild davon.

Die Schrift ist richtig, wie Euer Lehrer Euch sagte. Ich wünschte, daß Ihr alle einmal hier sein könntet und sehen, wie es hier gehl. Ihr könnt Euch gar keinen Begriff davon machen. Ich wünsche, daß ich zu Emma seiner Konfirmation dort sein könnte. Ich habe immer auf einen Brief von Euch gewartet, hatte deshalb nicht früher geschrieben. Was denkt Euer Lehrer von Amerika? Ich werde probieren, diese Arbeit so lange zu halten, wie ich kann, so daß ich mir genug Geld sparen kann, daß ich im Falle ich heim komme, ich dort etwas anfangen kann. Karl sagte mir, daß ich, wenn ich heimkäme, mit Robert das Geschäft führen könnte. Es geht mir hier ganz gut. Euer Lehrer muß wohl ein alter Amerikaner sein und wenn ich dort wäre, könnten wir Englisch zusammen sprechen. Wir hätten vielleicht ganz gute Freunde machen. lch glaube, ich muß Ihm ein paar Zeilen in Englisch schreiben.

Ich glaube, daß Dorf ist irgendwo von Onkel Karl seinem Hause abgenommen und unser Haus ist ein wenig rechts unter der Überschrift "Totalansicht", und die Tannen auf der rechten Seite sind Christian Weinbrenners (Försters Christian) und das große Haus auf dem Garten dahinter ist Remys, und auf der linken Seite ist der Weg von Kirburg und Bierbrauers Haus, Häbels und Weyands Wirtshaus. Ich denke, das ist richtig. Es ist ein schönes Bild und ich danke Euch vielmals. Auch danke Emilie vielmals für ihren Glückwunsch zum Geburtstag.

Ich hatte mich gut amüsiert auf dem Tanze Neujahr. Ich kann besser tanzen, wie die meisten Leute hier. Hier feiert man gar keine Feste, bloß gibt's manchmal einen Tanz nachts. Ich kann mir nicht mehr viel Begriff davon machen, wie es dort geht, da ich noch jung war, wie ich von dort wegging und mußte viel lernen, wie ich her kam, hatte deshalb nicht viel Zeit, daran zu denken, deshalb hatte ich zuerst kein Heimweh.

Bertha schreibt regelmäßig. Wann will Wilhelm Leicher heiraten? Grüße alle vielmals, Leicher, Hölzemann und alle Freunde. Ich hätte gerne ein Bild von vielen, doch scheint es unmöglich zu sein, eins zu bekommen.

Grüße Friedrich Hölzemann und frage ihn, ob er noch daran dächte, wie ich so ein kleiner Taugenichts war, und wenn ich eine Tracht Prügel verdient hatte, die meine liebe Mutter mir geben wollte, dann hat er mich in Schutz genommen. Das ist das Schlimmste bei mir, daß ich nichts vergessen kann. Wenn ich so wäre wie viele andere, daß ich alles gleich vergessen täte, dann wäre ich glücklich in diesem Lande.

Ich habe gerade zu mittag gegessen und so ungefähr ein Drittel Pfund Fleisch heruntergeschluckt. Ich esse manchmal mehr wie ein halbes Pfund die Mahlzeit und noch andere Leckerbissen, da man hier sehr gut lebt. Ich wünschte, Ihr wäret hier gewesen, dann hättet Ihr mitessen können. Ich habe schon lange nichts mehr von Kansas gehört und weiß nicht, was die Langenbacher dort machen. Ich muß bald noch einmal an sie schreiben und im Falle ich heimkomme, werde ich sie erst mal besuchen. Hört Ihr als von Wilhelm Weyand.

Wir haben hier jetzt schönes Wetter und der Schnee schmilzt schnell. Es ist hier beinahe 11.000 Fuß über dem Meeresspiegel und nicht weit von hier ist über 12.000. Hier sind Berge, wo über 14.000 Fuß hoch sind, z. B. der Sierra Blanco und der Pices Peac. Baldy ist über 13.000. Ihr könnt die auf der Landkarte suchen. Ein Viertel Mile ist es so hoch, daß die Bäume nicht mehr wachsen, und die Tannen wachsen bloß so hoch wie ein Mann.

Louis Weyand seine Frau hat ein kleines Mädchen seit 25. Januar.

Die Pocken sind in Monte Vista ausgebrochen und die Stadt ist jetzt quarantiert.

Ich weiß sonst nichts Neues und will nun schließen in der Hoffnung auf baldige Antwort und mit vielen Grüßen und Küssen verbleibe ich

Euer Euch liebender Sohn und Bruder

August

PS: Grüßt alle Freunde und Bekannte von mir und vergeßt nicht, meine Fragen zu beantworten. Hoffe auch einen Brief von Dora und Emma zu erhalten. Gratuliere Emma vielmals zu ihrer Konfirmation. Hoffentlich hat sie sich ein schönes Kleid für ihre 5 Dollar gekauft. Werde Euch später nochmal was schicken, wenn ich nicht selbst komme. Gebt einliegenden Brief an den Lehrer. Ich habe ihm ein paar Zeilen in Englisch geschrieben, da es ihn vielleicht interessiert, Englisch zu lesen.

 


Beiliegender Brief an Lehrer:

Summitville Colo. March 20th 1900

Teacher of public School.
Langenbach. P-K. [Post Korb]

Dear Sir
Havin heard from father, that you have been in America and, I thought I would write you a few lines, to send with fathers letter. I thank you very much for translating the words on the picture wich, a friend of mine had send to father without explaining the meaning of same. I suppose you and father talk about America quite often, as he allways was an American. I have been here now eight years and like the country all right but over am not satisfied on account a having father and Brothers and Sisters over there, and I may return sometimes later on. As you know more about Germany than I do, I wish you would be so kind and let father know wich one of the two Countrys you like best, and whether you think it is better for me to stay or come back, as I will have to be soldier if I come home. I hope you will excuse my freeness a writing to you, as I know you are a friend of father wich will also make you a friend of mine.
Excuse my writing in English as I thought it would interest you more.

Yours truly

August Müller

 

Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914

 

 

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