Mit dieser Anzeige in der Göttinger Tagespresse bot Philipp Rohns, Sohn des Baumeisters Christian Friedrich Andreas Rohns, den staunenden Göttingern eine kleine Sensation. In Grone wird Salz gefördert!
Rohns hatte mit dem Späherblick des geübten Geologen im Leinegrabenbruch Pflanzen entdeckt, die als untrügliche Anzeichen für Salzvorkommen gelten. Ausgeschlossen erschien dies nicht, da im Leinetat bereits die Salinen Sülbeck und Salzderhelden erfolgreich produzierten.
Familiäre Bande - Rohns hatte Antonie Piutti, die Schwester des Salineninspektors Bernhard Piutti im Großherzogtum Weimar, geheiratet - waren überdies Ansporn für seine Salinenpläne, denn über seinen Schwager bekam der junge Rohns Einblick in das Salzgeschäft und machte auch die Bekanntschaft einiger wichtiger Persönlichkeiten.
Am 14. Mai 1850 wurde dann die "Philipp Rohns & Co" gegründet. Drittes Gründungsmitglied war neben Philip und seinem Schwager Bernhard Piutti der Direktor der Kaltwasserheilanstalt von Elgersburg im Herzogtum Coburg-Gotha: Hermann Piutti - als weiterer Schwager ebenfalls ein Mitglied der Familie.
Es gehörte schon eine Menge Mut dazu, ein solches Projekt in einer Zeit zu starten, in der die industrielle Revolution sich erst vorsichtig Bahn brach. Die Dampfmaschine gehörte im Niedersächsischen noch zu den Seltenheiten, die erste Eisenbahnfahrt beunruhigte noch immer die Gemüter und das Telefon wurde erst 10 Jahre später erfunden.
Als sich am 6. Januar 1851, dem Geburtstag Philipp Rohns', der Bohrer in die Groner Erde fräste, hatte die Beteiligten ein Hauch von Pioniergeist erfaßt. Immerhin waren für Göttingen diese Arbeiten absolutes Neuland, denn es gab keine Werkstätten, die bei Reparaturen hatten einspringen können, es fehlten Fachkräfte, und obendrein war die Bevölkerung skeptisch bis mißtrauisch, und dennoch, allen Widrigkeiten zum Trotz, hatten am 18. Mai 1853 die Bohrversuche Erfolg, und in einer Tiefe von 462,12 m stieß der Meißel auf Steinsalz. Dabei war die unter dem Salz gefundene Sole bei einem Sättigungsgrad von 24 - 27 Prozent so gut, daß bei einer späteren Verarbeitung auf das Gradieren verzichtet und die Sole gleich in Pfannen verdampft werden konnte.
Das Geschäft lief verheißungsvoll an, und bereits ein Jahr später, war Rohns in der Lage, "gesättigte Salzsole zum Baden in dem Badehause vor St.Albanithore abzugeben, den gewöhnlichen Einer voll zu 2 Groschen".
Und welche Qualitäten unter Grones Erde verborgen lagen, bescheinigte der Göttinger Professor Friedrich Wöhler, der über die Sole ein Gutachten erstellte, in dem er die "ungewöhnliche Reinheit" lobt, die sich - so der Chemiker Schuchardt - "nur durch den Mangel an Kohlensäure und kohlensaurem Eisenoxyd von der zu Oeynhausen" unterscheide.
Trotz dieser optimalen Begleitumstände blieb der kommerzielle Erfolg aus. Zu kräftig hatten die Produktionskosten am Firmenkapital genagt und namentlich Philipp Rohns' Vermögen weitgehend aufgezehrt. Im Mai 1859 ging die Saline in den Konkurs - eine Lungenentzündung ließ den spiritus rector des Unternehmens diesen Tag zum Glück nicht mehr erleben.
Aus der Konkursmasse ersteigerten die Brüder Louis und Theodor Laporte 1863 das Groner Salzwerk. Von ihnen erhielt die Anlage auch erstmals den traditionellen Namen "Luisenhall", zur Erinnerung an die früh verstorbene Mutter der neuen Besitzer. Auch die Brüder Laporte hatten nur mäßiges Glück mit der Saline. Nach hervorragendem Produktionsstart stürzte 1865 das einzige Bohrloch zusammen und der ganze Betrieb stand still. Eine Reparatur erwies sich als undurchführbar, so daß man an einer erneuten Bohrprozedur nicht vorbeikam. Allerdings wurde die Arbeit in beste Hände gelegt: Karl Köbrich, der nachmalige Leiter der preußischen Zentralbohrwerkstätte leitete selbst die Arbeiten, und nach eineinhalb Jahren konnte über ein 383 m tiefes Bohrloch endlich wieder die Produktion aufgenommen werden.
Welche Nerven die Laportes in dieser Zeit mit dauernden Gestängebrüchen, Nachfällen im Bohrloch, Materialschwierigkeiten und unfähigem Personal lassen mußten, kann man heute allenfalls erahnen.
Und es war umsonst !
Zwar nahm die Saline 1868 den Betrieb wieder auf, doch die kostspieligen Arbeiten hatten auch die Finanzkraft der Gebrüder Laporte gelähmt. Bis 1872 hielten sie sich mühsam über Wasser, dann mußten sie, wie Philipp Rohns, das Anwesen verkaufen.
Der nun beginnende dritte Abschnitt in der Salinengeschichte sah relativ häufig wechselnde Besitzer. Georg Garben, Besitzer der Saline Georgenhall bei Hannover, ist hier der Wichtigste. Garben startete den Göttinger Tochterbetrieb zusammen mit seinem Kompagnon Eduard Weber, den er jedoch bald aus dem Unternehmen drängen konnte. Mit seinem kapitalstarken ehemaligen Prokuristen schloß er im Juli 1880 einen Gesellschaftsvertrag und firmierte als Garben & Grote. Im Oktober 1881 ging jedoch auch dieses Intermezzo zu Ende, und Hermann Bartold Levin, Sohn des in Göttingen wohlbekannten Tuchfabrikbesitzers Hermann Albert Levin, kaufte die Saline mit der angeschlossenen Dampfziegelei zum stattlichen Preis von 180.000,-- Goldmark. Er sollte zum Namensträger aller künftigen Besitzer werden.
Unter seiner Leitung kam das Unternehmen zu bislang nicht gekannter Blüte. Neuerungen wurden langfristig planend und kontinuierlich durchgeführt, und es spricht für den kühlen Geschäftssinn Hermann Bartold Levin's, daß er nicht Hals über Kopf investierte, sondern die Expansion des Unternehmens am Markt orientierte. So ließ er sich acht Jahre Zeit, bevor er die Saline modernisierte, begann dann aber mit höchst umfangreichen Baumaßnahmen. Zuerst ließ er die zu klein gewordene Pfannenanlage der Pfanne 1 mit der zugehörigen Darre zur Salstrocknung vergrößern. Damit konnte die Saline ganz besonders feines und trockenes Salz produzieren. Im Zuge dieser Arbeiten wurde auch erstmals ein Anbau erforderlich. Außerdem stellte einer der renommiertesten Tiefbohrunternehmer des Deutschen Reiches, E. Julius Winter aus Kamen in Westfalen, das erste Bohrloch wieder her. 1888 erhielt die Saline einen Anschluß ans Gleissystem der Eisenbahn - ein erheblicher Schritt zur Rationalisierung von Kohletransporten und Salzauslieferungen, denn bislang war die Saline auf den Pendelverkehr von Pferdefuhrwerken von und zum Güterbahnhof angewiesen gewesen. Bis zur endgültigen Fertigstellung gab es allerdings auch hier Probleme: Übergänge, Türen und Rampen mußten auf eine neue Hohe eingerichtet oder sogar verlegt werden. Das Salzsteueramt wachte scharf über alle baulichen Veränderungen und ließ mitunter sogar zusätzlich Schlösser und Gitter anbringen, um Unbefugten den Zugang unmöglich zu machen und sich somit vor Steuerausfällen abzusichern. Immerhin, die baulichen Veränderungen zahlten sich aus, und zeitweise wurde die Produktion auf jährlich 100.000 Zentner angehoben.
Vorbildlich für die Zeit um die Jahrhundertwende waren die betrieblichen Sozialfürsorge- und Wohlfahrtseinrichtungen, die Hermann Bartold Levin seinen Arbeitern zukommen ließ. Sechs seiner Beschäftigten, die aus den Dörfern um Göttinger, stammten, erhielten auf der Saline eine Unterkunft, und den Pendlern, die nicht auf dem Salinengelände wohnten, richtete er eine "Wohlfahrtsküche" ein. Auch für den Krankheitsfall war durch die Zahlung von Krankengeldzuschüssen entsprechende Vorsorge getroffen. Die günstige Produktionsentwicklung gestattete es Hermann Bartold Levin sogar, Stiftungen zu errichten und die schwungvollen Arbeiterfeste zu feiern, die schnell im Göttinger Raum beliebt wurden und ein bezeichnendes Schlaglicht auf die besonderen Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und dem Arbeitgeber in diesem Familienbetrieb werfen.
Um die Wende des 19. Jahrhunderts ist Ernst Rudolf Steup sr. 10 Jahre lang Direktor in Saline und Ziegelei.
Darüber hinaus war Hermann Bartold Levin Abgeordneter im Kreistag und wurde 1902 in den Vorstand der Handelskammer in Göttingen gewählt, zu deren Präsident er fünf Jahre später aufrückte. Am 7. November 1910 erhielt er für seine Verdienste den Titel eines Königlich Preußischen Kommerzienrates. Seinem Format und seiner prägenden Persönlichkeit verdankt die Saline noch heute ihre Gestalt.
Hermann Bartold Levin starb am 25. August 1926. Sein Nachfolger wurde sein Sohn Dr. Bertold Levin, der 1911 als Teilhaber in die väterliche Firma eingetreten war. Nach dessen frühem Tod - er starb am 10 Januar 1930 im Alter von nur 45 Jahren - führte seine Witwe Marliese das Unternehmen unter teilwelse sehr schwierigen Bedingungen weiter, da bis 1946 das zwangsverordnete Salzkartell bestand, wodurch Produktion, Absatz und Preis behördlich genau festgesetzt waren.
"Luisenhall" als eine der kleinsten Salinen, hatte außerdem unter den kritischen Jahren der Wirtschaftskrise mit Materialbeschaffungsproblemen zu kämpfen, und es ist Marliese Levin's Verdienst, die Saline durch die schwierigen Kriegsjahre hindurchgeführt zu haben.
1945 übernahm Dipl. Chem. Bartold Hermann Levin (III.) die Geschäftsführung des Unternehmens. Eine seiner ersten "Amtshandlungen" war die Suche nach neuen Brennstoffen, da die bislang zum versieden der Sole benutzte Steinkohle nicht mehr zu bekommen war. Braunkohle, aus den nahen Meißnerrevier, und später Holz und Stroh waren die Retter aus diesem Versorgungsengpaß. Außerdem führte Bartold Levin anstelle des Schienentransportes auch den Straßentransport ein. Ein eigener Fuhrpark wurde angeschafft, mit dem das Salz kostensparend direkt zu den Abnehmern gebracht wird. Moderne und teilweise selbst gebaute Maschinen führten zu einer weiteren Rationalisierung der Pfannensalzproduktion, so daß der Mitarbeiterstab um die Hälfte auf 35 verkleinert werden konnte.
"Luisenhall" ist neben der Saline Lüneburg die einzige Pfannen-Saline in Deutschland, die von den 1880 bei der Gründung des ersten deutschen Salzsyndikats eingetragenen 62 Salinen noch arbeitet. Bis 1978 stieg der Gesamtabsatz, begünstigt durch die Aufnahme des Salzhandels mit den Produkten der größten deutschen Salzwerke auf 15.000 Jahrestonnen. Ein Drittel davon entfällt auf Speisesalz, wahrend der größte Umsatzanteil aus Salzen für technische Zwecke besteht.
Sonstige Medien:
Saline Luisenhall, Göttingen – Arbeitsalltag in einer Siedepfannensaline, eine im Jahr 1986 produzierte, rund 60-minütige Filmdokumentation von Edmund Ballhaus, Göttingen.
Quellen:
Geschichte der Saline Luisenhall