Johann Wilhelm Wüst wurde am 22. März 1732 in Steeden, Runkel, Kreis Limburg-Weilburg geboren. Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen und absolvierte eine Ausbildung zum Schuhmacher. Er heiratet die 1730 in Schupbach, Amts Runkel geborene Marie Justine Will. Sie stirbt vor ihm am am 24. Dezember 1812, 82 Jahre alt, an Wassersucht in Langenbach.
Ab 22. Februar 1756 als Schulmeister in Wirbelau tätig, einem kleinen Ort der heute ein Stadtteil von Runkel ist. Er entwickelt sich zum Anhänger des Pietismus. Der Pietismus entsprang einem Gefühl der mangelhaften Frömmigkeit, unzureichender christlicher Lebensführung und dem Drang zur Verifizierbarkeit des persönlichen Glaubens. Zum Beispiel die Herrnhuter Brüdergemeinde wurde stark vom Pietismus geprägt.
Aufgrund seiner eigenen Auslegungen der Bibel und Auseinandersetzungen mit dem Schulinspektor Oest wurde er 1762 aus dem Schuldienst entlassen. Er zieht nach Schubpach, ebenfalls ein Vorort von Runkel und beginnt eine Tätigkeit als vereidigter Spendensammler für den Bau der Kirche in Merkenbach, heute ein Stadtteil von Herborn.
Aufgrund angeblich ehrrühriger Aussagen über den Schulinspektor Oest erfolgt eine Ausweisung, fortan sammelte er Spenden für die Brandgeschädigten in Steinbrücken.
1767 wurde er auf dem Weg zu seiner Familie in Schupbach abermals des Landes verwiesen.
1776 ließ er sich jenseits des Mühlgrabens bei Langenbach zunächst gegen Widerstände aus dem Ort nieder und arbeitete von hier aus als wandernder Schuhmacher. 1782 erbaute er dort ein Wohnhaus und errichtete er am Bachlauf ein Bethäuschen, wo er Andachten abhielt, obwohl die maßgeblichen Persönlichkeiten im Dorf den streng religiösen Mann nicht ansässig haben wollten. Er war der Begründer der Wüst-Sippe im Raum Bad Marienberg.
Zuletzt als Tagelöhner in Langenbach bei Marienberg, wo er am 6. Juni 1814, 86 Jahre alt, an Entkräftung starb.
Johann Wilhelm Wüst hat seine Lebensgeschichte in einer handschriftlichen Chronik hinterlassen, der Verbleib des Originals ist unklar. Ein Nachfahre von Johann Wilhelm, Hermann Wüst konnte die Chronik im Jahre 1950 im Taunus ausfindig machen und sich diese für einige Wochen ausleihen. Sein Bruder Karl Wüst erstelle im Winter 1950/51 eine komplette handschriftliche Abschrift dieser Chronik. Klaus Wüst verfasste 2018 die Familienchronik "Die Welms". Diese enthält u.a. die Chronik in Maschinenschrift. Ein Exemplar befindet sich im Stadtarchiv von Bad Marienberg.
Im Volksmund wurde Johann Wilhelm "Bücher-Welm" genannt.
Die am 4. Juli 1770 in Rodenrod, Amt Herborn geborene Tochter Kunigunde Margarete Wüst heiratet am 27. Juli 1794 den am 5. Dezember 1756 in Erbach geborenen Schreiner, Drechsler und Zimmermeister Johannes Steup.
Der Ehe entsprossen sechs Kinder, von denen drei in jungen Jahren starben. Er starb am 6. September 1817 in Eberbach im Rheingau, wo er sich im Korrektionshause1) [im früheren Kloster] aufhielt. War zuletzt Taglöhner in Langenbach gewesen. Sie folgte ihm am 16. Dezember 1835 zu Langenbach im Tode.
Anmerkungen:
1) 1813-1912 Nutzung von Teilbereichen des Kloster Eberbach in Eltville als Strafanstalt ("Korrektionshaus") und seit 1877 als Strafgefängnis. Korrektionsanstalten, auch Besserungsanstalten (von lat. corrigere = „gerade richten, berichtigen“) waren bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts öffentliche oder auch private Einrichtungen, die zur Aufnahme von Korrigenden (lat. = der zu bessernde Züchtling) bestimmt waren. Im Unterschied zu einem Gefängnis war ihr Hauptzweck nicht die Strafvollstreckung, sondern die Erziehung und sittliche Besserung. Korrektionsanstalten waren Einrichtungen, die Vagabunden, „Trunkenbolde“, „Arbeitsscheue“, „liederliche“ Dirnen, aber auch entlassene Sträflinge aufnahmen, die darin zur Arbeit angehalten wurden und an eine geordnete Lebensführung gewöhnt werden sollten. Diese Besserungsanstalten gründeten sich auf die sogenannte Besserungstheorie, nach der es Aufgabe des Staates ist, nicht allein für die Strafvollstreckung, sondern auch für die Besserung des Verbrechers und seine „Bewahrung vor völligem sittlichen Untergang“ zu sorgen. (Quelle: Wikipedia)