Von Armen  - Veranstaltungen

   
§1
Ein Staat – er sey auch noch so gut eingerichtet, hat solcher Armen, welche wegen Unvermögenheit und Schwächlichkeit Unterstützung bedürfen, und ihr Brod vor den Thüren holen, oder auch in sonstiger Art, von dem Publicum verpfleget und erhalten werden müssen.

§2
Ehemalen liese man dergleichen Armen herumgehen und öffentlich betteln, daraus entstunde aber dieses, eines Theils, dass solche, welche sich des Bettelns schämten, oder Kränk – und Schwächlichkeit wegen nicht herumgehen können, oft den ärgsten Mangel leiden, und vor Elend verschmachten musten, anderen Theils sich solche einschlichen und bettelten, welche noch arbeiten und ihr Brod verdienen konnten, aber nicht wollten, und also als Faulenzer keiner Gabe würdig, sondern nur dem Gemeinen Wesen zur Beschwerde waren, um aber allem diesem abzuhelfen, und vorzubeugen, hat Fürstl. Landes – Regierung weislich verordnet, dass das öffentliche Betteln aufhören, und jedes Kirchspiel seine Armen ordentlich verpflegen solle.

§3
Diesem zu Folge wurden vom Amt von denen Predigern und Vorstehern die Verzeichnissen von wahren Armen, nämlich solchen, eingefordet, die einer Unterstützung bedürftig, und ihr Brod zu verdienen nicht im Stande seyen. Nachdem solche eingegangen, wurde erwogen, was jeder seinem Verhältnis nach, theils an Brod theils an Geld, und sonsten respee wöchentlich und quartaliter bedürfe, darauf verordnet, dass jedes Gemeinds Glied seinem Vermögen nach bestimmen solle, was es an Brod und Geld Quartals weis steuern wolle. Nachdem auch hierüber die Listen eingegangen, und befunden worden, das von der verwilligten Steuer sämtliche Armen versorget werden könnten, wurde denen Predigern überlassen, wöchentlich so viel Brod einsammeln zu lassen, als zur Unterhaltung der Armen erforderlich seye, und solches durch einen Aeltesten wechselweise austheilen, auch von dem quartaliter eingehenden Geld jedem so viel reichen zu lassen, als er etwa ur Kleidung und sonsten auser dem Brod nötig habe, über alles dieses aber eine Art von Rechnung zu führen, um im Stande zu seyn, über die Austheilung und Verwendung erforderlichen Falls Rad und Antwort geben zu können.

§4
Nachdem nun weiter nicht übrig waren, als die Sache zur Ausführung zu bringen, so wollten doch die Unterthanen ehender nichts steuern, bis ihnen die frembde Bettler vom Hals geschaffet werden. Ob ihnen zwaren zu Gemüthe geführt würde, dass sie nicht nötig hätten, frembden Bettlern etwas zu geben, ihnen vielmehr solches bey Strafe verbotten seye, die Husaren und Tags Wächter auch angewiesen werden, die einschleichende frembde Bettler zurückzutreiben, und nicht einzulassen, sie sich also selbst beizumessen hätten, wann sie dieVernachläsigung der Tags und Nachtwacht nicht anzeigten, und dannenhero von dergleichen Leuten beunruhigt und belästigt würden, so  suchten sie sich doch damit zu entschuldigen, dass wann sie solcherley Bettler abweisen – sie zu befürchten hätten, dass ihnen Schaden zufügen, und wohl gar Dörfer anstecken mögten, sie könnten und dörften also keinen abweisen, wann es ihnen gleich bey einer schweren Strafe verbothen würde, sondern die Landes Obrigkeit hätte auf sonstige Mittel zu denken, wodurch sie der frembde Bettler los würde. Hierauf hat man nun von Amtswegen alles mögliche versuchet, die frembde Bettler abzuhalten, des Endes nicht allein denen Husaren und Tagswächtern wiederholt eingeschärft, solche zurückzuweisen, sondern auch da die mehreste Bettler aus dem Braunfelsischen und Hadamarischen herkommen, die Aemter unguinieret, diese Bettler zurückzuhalten, und vor derenUnterthanen zu sorgen, wiedriges dieselbe sich selbst beimessen können, wann sie von den Husaren thätlich behandelt oder wohl gar arretiet würden. Nachdem dieses von Wirkung zu seyn scheint, so habe ich es endlich in denen Unter Kirchspieln so weit gebracht, dass jedes Kirchspiel nunmehro seine Armen ernehret, und mit allem nötigen versorget, wären die Ober Kirchspieln länger unter meiner Jurisdiction geblieben, so hätte ich mit Zuversicht hoffen können, es darinnen auch so weit zu bringen, und dieses löbliche und nützliche Werk durchzusetzen; jedoch zweifele ich nicht, dass denen beiden Beamten zu Renneroth und Marienberg das Vermögen vorbehalten ist, dasjenige annoch zu vollenden was ich auszuführen durch die Amts Theilung behindert worden; welches in dem Kirchspiel Marienberg um so weniger Schwierigkeiten hat, als dasselbe schon von jeher seine Kirchspiels Armen aus denen beträchtlichen Allmosen reichlich unterstütztet, und dadurch dem öffentlichen Gebettel Einhalt gethan hat   
 
§5
Nach der nunmehrigen Veranstaltung in denen Unter Kirchspieln bekommt jeder Armer, wegen dem vorjährigen Miswachs, täglich 1Pfund Brod, und quartaliter 2fl. Ich hoffe es aber in kurzem, und nach der Anrede insoferne solche – wie zu wünschen stehet – reichlicher ausfallen wird, dahin zu bringen, dass sowohl die Brod als Geldsteuer erhöhet weren soll. Aller Anfang ist schwer,und die Unterthanen werden mit der Zeit selber einsehen,welch reeller Nutzen ihnen durch diese Armen Veranstaltung verschaffet worden, und  wie viel sie durch die Abschaffung des öffentlichen Bettelns gewonnen haben, werden dannenhero mit der Zeit ihrem Beitrag sich milder beweisen.

 

 

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