Summitville Mai 29th 1900

Lieber Vater und Geschwister!

Euern lieben Brief habe ich letzte Nacht erhalten und mich sehr darüber gefreut. Ich will Euch gleich antworten. Ich hatte, seit ich Euch das letzte Mal schrieb, an den deutschen Konsul geschrieben und ihn gefragt wegen meiner Militärsache, worauf er mir schrieb, daß ich, wenn ich meine amerikanischen Bürgerpapiere habe, nach Deutschland gehen kann. Er sagte, daß bei meiner Rückkehr die Strafe, welche das Gericht mir zugesprochen hat, eingezogen werden kann und das die Behörden mich jederzeit aus Deutschland ausweisen könnten. Somit kann ich also nach Deutschland kommen, ohne Soldat zu werden, doch kann man immer nicht sagen, was sie dort mit einem tun. Die könnten mir vielleicht Unangelegenheiten machen und dann sagen, jetzt mach', daß Du aus Deutschland herauskommst. Übrigens glaube ich überhaupt nicht, daß es mir dort noch gefallen würde und wäre es nicht, daß ich Euch alle gerne noch einmal sehen würde, so würde ich gar nicht daran denken, wieder nach Deutschland zu gehen. Ihr könnt ja einmal ausfinden bei dem Friedewälder, wie der es gemacht hat und im Falle sie den dort in Ruhe lassen, werde ich Euch vielleicht einmal besuchen.

Ich werde wahrscheinlich dieses Jahr einmal nach Kansas gehen und meine Landsleute dort einmal besuchen, weil ich denen es versprochen hatte.

Mir geht es hier noch ganz gut. Wir hatten einen ziemlich harten Winter und den 20. Mai fiel ungelähr 8 Zoll Schnee, doch haben wir jetzt schönes Wetter und der Schnee schmilzt schnell und ist beinahe alle weg. Das Gras fängt jetzt gerade an grün zu werden, weil es hier so hoch oben am Berg ist, im Tale war es schon grün zwei Monate zurück.

Ich hatte einen Brief von Bertha ungefähr zwei Wochen zurück, auch halte ich einen Brief von Karl ungefähr 3 Wochen zurück, doch habe ich von Robert schon seit 4-5 Jahren nichts mehr gehört. Er sagte in Karl seinem Brief, daß er mir Ostern schreiben würde, doch habe ich bis jetzt noch keinen Brief erhalten.

Ich werde Euch 50 Dollar schikken, sobald ich es nach Monte Vista kriegen kann. Da ich es bei Bankdraft schikken muß, weil ich hier keine Geldorder kriegen kann.

Auch schicke ich Euch eine Anzahl Bilder, dann könnt Ihr Euch etwas Begriff davon machen, was ich tue. Die kleinen Bilder habe ich selbst abgenommen, bin deshalb auf keinem davon. Ich will sie alle nummerieren.

Nr.1 ist die Stadt Summitville,

Nr.2 ist das Maschinenhaus und das Tunnel und Burg, wo es hereingeht ist 2800 Fuß im Berge und so gerade, daß man Tageslicht von Inseide sehen kann.

Nr.3 und 4 sind das Maschinenhaus, wo ich die Luft presse. Auf Nr. 3 könnt ihr den Dampf sehen, welcher von der Maschine kommt.

Nr.5 ist die Maschine, welche die Luft preßt. Auf dieser Seile ist der Luftzylinder. Ihr könnt auf dieser Seite sehen, wo die Luft hereingeht in den Zylinder und von da geht sie in die Röhre, welche in die Höhe geht, und von da nach der Grube durch die vierzöllige Röhre. Ihr könnt auf Bild Nr.2 sehen, wo die Röhre liegt, wo ich die Punkte gemacht habe. Ich sollte eigentlich bei der Maschine stehen, doch da ich das Bild selbst abgenommen habe, ging es nicht. Das Dampf-Ende ist das andere Ende, wo Ihr das kleine Rädchen seht. Das ist, wo ich den Dampf andrehe. Der Dampfkessel ist auf dieser Seite, den könnt Ihr nicht sehen.

Nr.6 ist ein Freund von mir auf Schneeschuhen, welche 9 Fuß lang sind. Ihr könnt da sehen, wie man darauf herumläuft.

Nr.7 und 8 sind Bilder von den Leuten, die in der Grube arbeiten. Sie stehen da auf der Halle.

Nr.9 ist ein Bild, welches von der Halde abgenommen ist. Ihr könnt da wieder sehen, wo die Luftröhre liegt.

Nr.10 ist eine Schlucht in den Bergen, Box Canon genannt. Das meint Kastenschlucht, weil die Gebirge oben zusammengehen und es aussieht wie ein Kasten. Ihr könnt da einen Wasserfall sehen und auch Leute auf einer Brücke.

Nr.11 ist eine Stadt nahe dabei, heißt Ouray (sprich Jurey), Berge rundum.

Nr.12 ist der Berg, wo das Tunnel hereingeht, von der Nordseite genommen. Nr. 2 ist vom Osten abgenommen. Die 2 Städte sind bloß Grubenstädte, oben in den Bergen, wie Ihr seht.

Die Farmen sind im Tale. Da sind die größeren Städte aber auch nicht sehr groß. Ihr werdet Euch nun so einen Begriff davon machen können, was ich tue und wie es hier aussieht.

Ich weiß weiter nichts mehr zu schreiben. Mein herzliches Beileid zu Onkel Karl seinen Angehörigen. Ist Cousin Gustav, welcher das Handwerk bei Euch gelernt hat, damals gestorben oder nicht?

Ich werde Euch das Geld morgen oder übermorgen schicken.

Grüßt den Lehrer von mir als Amerikaner und viele Grüße an alle Bekannten, besonders aber an Euch,

Euer Euch liebender Sohn und Bruder

August

 

Ich werde mir dieses Jahr noch einmal Bilder von mir machen lassen und Euch welche schicken, und hoffentlich werden wir uns noch einmal wiedersehen.


Gruß und Kuß

August

 

Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914

 

 

Keine Kommentare

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.