Teller Colo. April 20th 1903
Lieber Vater und Schwestern!
Euern lieben Brief nebst Bild habe ich letzte Nacht erhalten und danke Euch vielmals für das Bild. Es freut mich sehr, daß Ihr mir das Bild geschickt habt und daß es Euch noch gut geht Wie gerne ich Euch noch einmal sehen würde, könnt Ihr Euch kaum denken. Den Brief, welchen Ihr schriebt im Februar habe ich nicht erhalten. Er muß verloren gegangen sein. Ich habe das Bild von der Kirche noch nicht gesehen und werde es vielleicht nicht sehen bis Juli oder August, d. h. ich könnte es schicken lassen, habe aber beinahe alle meine Sachen in Monte Vista und dachte, ich ließe es besser da, bis ich wieder hinkomme.
Ich habe schon darüber nachgedacht, einmal nach Deutschland zu kommen, doch kann ich bis jetzt noch nichts Gewisses darüber sagen, denn man weiß nicht, was vorkommen kann, das einen zurückhält. Wegen dem Heiraten kann ich Euch noch nichts schreiben, denn ich habe bis jetzt noch kein Mädchen gefragt. Ich bin seit einiger Zeit mit einem Mädchen gegangen und zeigte sie einmal Zahnen und sagte ihm, das wäre mein Mädchen und er wollte wissen, ob das Heiraten bald losgehen sollte und ich sagte "vielleicht". Er wollte wisse, ob es vor Weihnachten wäre, und ich sagte "nein", und er fragte nächstes Jahr" und ich sagte "vielleicht". Das war beinahe ein Jahr zurück. So wißt Ihr selbst, wie es ist. Das Mädchen ist soviel ich weiß, ein sehr gutes Mädchen. Ich kenne sie schon 6 Jahre. Ich habe auch schon eine zeitlang an H. F. Schneider sein Mädchen Alwine in Kansas geschrieben und habe Ihr versprochen hinzukommen diesen Sommer. Ich werde mir die vielleicht holen. Sie sagte im Briefe, sie wollte mir keinen Korb geben. Mag dieses sein wie es will oder kommen wie es will, ich werde Euch früh genug schreiben, so daß Ihr zur Hochzeit kommen könnt. Das Heiraten wäre wohl ganz gut, doch muß man erstens Geld haben, wovon ich mir etwas gespart habe und zweitens will ich gerne selbst ein unabhängiges Geschäft haben, bevor ich heirate.
Ich möchte gerne wissen, ob Ihr alle Eure Schulden bezahlt habt oder ob Ihr noch jemand etwas schuldig seid. Hilft Robert und Karl Euch auch alsmal. Ich habe schon seit etlichen Jahren nichts von Robert gehört. Wie mir Karl schreibt verdient er sowie Robert mehr wie ich hier und dabei kostet das Leben bloß ungefähr ein Drittel soviel und es sieht mir aus, als ob die Herren auch etwas hätten tun können oder könnten, Ich denke, daß ich so viel geholfen habe wie einer von denen, oder im Falle, daß ich es nicht getan habe, schreibt mir nur, und ich werde das Versäumte nachholen, denn ich will nicht haben, daß einer von meinen Brüdern mehr für Euch tun soll wie ich selbst.
Übrigens hoffe ich, daß mir das Glück einmal günstig ist, so daß ich es so für Euch auffixen kann daß Ihr nicht mehr zu arbeiten braucht. Ich werde vielleicht mit Louis, d. h, Louis und ich werden vielleicht nächsten Herbst zusammen eine Dampf-Dreschmaschine kaufen und probieren, dabei etwas Geld zu machen und wenn wir Glück dabei haben, können wir vielleicht 8-1000 Dollar dabei machen. Man muß hier immer probieren etwas zu machen, denn wenn man nichts probiert, kann man auch nichts gewinnen.
Louis sein Schwiegervater ist ein paar Jahre zurück an einem Schlaganfall gestorben.
Es wird jetzt bald Frühjahr und der Schnee schmilzt schnell. Wir hatten sehr viel Schnee diesen Winter.
Morgen abend ist hier in der Stadt ein Tanz und ich denke, ich werde hingehen, denn es gibt einem ein wenig Wechsel und man vergißt alsmal seine Sorgen. Ihr habt mir nicht geschrieben, wie alt Ihr wurdet letzten Weihnachten, denn wenn ich nicht irre, ist Euer Geburtstag am zweiten Weihnachtstag.
Ich will nun schließen in der Hoffnung, daß wir uns alle noch einmal wiedersehen.
Mit vielen Grüßen und Küssen verbleibe ich Euer treuer Sohn und Bruder
August
Quelle: "Wir hatten ein schlechtes Schiff..." Briefe eines Westerwälder Amerika-Auswanderers 1892-1914